Für einen ganz kurzen Augenblick ist Hans Mächler neben der Laufbahn im Leichtathletikstadion der wichtigste Mann der Welt. Nur auf ihn wird gehört. Dabei steht er buchstäblich im Hintergrund. Er ist der Mann mit der besten Sicht auf die Startenden. Ihm darf nichts entgehen, kein Zucken, keine noch so kleine Bewegung. «Stehe ich einmal auf dem Bock oben, bin ich hochkonzentriert, ‹im Tunnel› drin.» Einsam fühlt er sich aber in diesem Moment auch vor 20 000 Zuschauern nicht.
Präziser Ablauf
«Ich bin immer zwei Stunden vor dem ersten Start vor Ort», erklärt der 65-Jährige aus Horgen. Dann werden mit dem Starterteam die Abläufe und alle Details durchgegangen. «Es ist ein ganzer Prozess», so Mächler. Die zeitlichen Abstände zwischen den Kommandi «Auf die Plätze! Fertig!» sind nicht immer gleich lang. «Es kommt sehr auf die Athleten drauf an», weiss er zu erzählen. In dem Moment, wo alle korrekt in den Startblöcken stehen, kommt das Kommando «fertig!» Die Athleten nehmen die endgültige Startposition ein und verharren in dieser unbeweglich. Bis zum Schuss vergehen zirka 1,5 Sekunden, dann knallts. Wurde früher noch mit der Pistole geschossen, wird der Startschuss heute nicht nur bei Grossanlässen mittels eines elektronischen, akustischen Signals, das aus Lautsprechern kommt, gegeben.
Am richtigen Ort stehen
Aber auch hier entscheidet der richtige Standort. Einerseits des Starters, andererseits der Lautsprecher. Denn ohne Lautsprecher würde die Verzögerung für den einzelnen Athleten bis fast zwei Zehntelsekunden ausmachen. Das ist viel, sehr viel sogar, wenn es um die Jagd nach Hundertstelsekunden geht. Neben dem richtigen Standort ist auch der Rest des Teams gefragt. Die Rückstarter, die den Start ebenso genau beobachten, müssen im Falle eines Fehlstarts die Athleten sofort zurückschiessen. Da ist ein perfektes Teamwork gefragt. Wann kann Mächler nach einem Wettkampf sagen, dass es ein guter Tag gewesen ist? «Vor allem dann, wenn wir uns als Team gesteigert haben», erklärt er. «Das Starten ist ein stetiger Prozess», sagt der Experte von Swiss Athletics. Die Qualität hat er sich über viele Jahre angeeignet. Er hat sich in unzähligen Kursen weitergebildet, was ihn schliesslich an viele Grossanlässe gebracht hat. An die Europameisterschaften in Zürich erinnert er sich gerne zurück. Aber auch die Diamond League Meetings in Zürich und Lausanne liegen ihm sehr am Herzen. Aber Zürich, das «ist das beste», kommt wie aus seiner Starterpistole geschossen. Seine Augen leuchten, wenn er das sagt. Aber auch an die Schweizer Meisterschaften geht er gerne, auch wenn es da schonzu brenzligen Situationen gekommen ist. Denn der schnellste Schweizer, Alex Wilson, rannte seinen Schweizer Rekord nach einem Fehlstart. Die Disqualifikation war die Folge.
Kein Mitleid
Natürlich gibt das Diskussionen. «Das Fernsehen hat es nicht gerne, wenn es einen Fehlstart gibt», schmunzelt er. «Denn das gibt Verschiebungen im Programm.» Ganz zu schweigen von den Reaktionen der disqualifizierten Athletinnen und Athleten mit ihren Trainern.
Hat Hans Mächler Mitleid? «Nein», sagt er bestimmt. «Reglement ist Reglement. » Ausnahmen könne man keine machen. «Alle sind gleich.» Vereinfacht wird das Ganze, weil das Fehlverhalten der Läuferinnen und Läufer bei Grossanlässen klar mit der elektronischen Fehlstartanzeige Startanlage nachgewiesen werden kann. «Ab zwei Sekunden vor dem Start wird alles elektronisch aufgezeichnet. » Da gibt es keinen Ermessungsspielraum, da sind alle gleich, ob Weltklasse oder Regionalläufer.
Diese Regionalläuferinnen und -Läufer kamen erst kürzlich in Lachen in den Genuss des «Profis». Beim Meeting auf dem Seefeld gab er das Startsignal für die 100m und 200m. Trifft man an grossen Meetings auch die internationalen Stars ausserhalb der Rundbahn? «Nein», sagt er. «Das sind alles Profis, die ihr Programm haben. Da gibt es keine Kontakte.»
Es braucht mehr Funktionäre
Zusätzlich zu dem, dass Hans Mächler gerne an Anlässe geht und als Experte Weiterbildungskurse gibt, macht er sich Sorgen um den Nachwuchs. «Allen muss bewusst sein, dass es ohne Funktionäre keinen Sport gibt.» Ein Blick auf die Liste der Starter und Startexperten zeigt ein düsteres Bild. Ein sehr grosser Teil ist über 60 Jahre alt. Ausserschwyz ist praktisch Brachland. Da gibt es nicht viele. «Ich wünsche mir, dass viele aktive Athletinnen und Athleten nachrücken und dem Sport etwas von dem zurückgeben, was sie bekommen haben.»