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Freizeit
04.06.2020
06.05.2022 15:10 Uhr

Erlebnisbericht: Autoreise durch die Schweiz

Thun ist ein bezauberndes Städtchen.
Thun ist ein bezauberndes Städtchen. Bild: Anouk Arbenz
Ferien in der Schweiz und zu Corona-Zeiten – Redaktorin Anouk Arbenz hat es erlebt und schildert von ihren Eindrücken auf ihrer Auto-Tour durch elf Kantone der Schweiz, die imposante Berge, türkisfarbene Seen und hübsche kleine Städte beinhaltete.

Die Sommerferien stehen vor der Tür und die Unsicherheiten sind nicht kleiner geworden: gehe ich ins Ausland oder bleibe ich lieber Zuhause? Welche Ausflüge sind möglich, was hat noch geschlossen – und wie meide ich die Massen? Wie viele andere musste auch ich meine Auslandferien canceln – Irland muss warten. Stattdessen entschlossen sich meine Schwester und ich spontan für eine Schweizer Rundreise mit dem Auto. Wir nahmen uns vor, jene Orte zu besuchen, die Schweizer normalerweise meiden – weil sie bei Touristen beliebt sind. Die einwöchige Reise tat nicht nur uns gut – sie half auch der angeschlagenen Gastronomie und Hotellerie.

Tag 1: Picknick am Bielersee und Besuch bei den Profis

Von Altendorf aus waren wir über die A14 und die A2 in zwei Stunden in Biel. Apéro und Nachtessen nahmen wir entspannt in einem Park am Bielersee ein. Dafür hatten wir einen Picknick-Korb bereit- und einen Weisswein kühlgestellt. So ganze passte das nicht ins Bild – wir mit Bruschetta oder einem Stück Parmesan und dem Weinglas in der Hand, während um uns herum Bob-Marley-Fans um ihr Bier und Jugendliche um ihre Shish im Kreis sitzen und ihre Elektromusik laufen lassen. Doch die Abendsonne und der Blick auf das glitzernde Blau liessen all dies im Hintergrund verschwinden. Mehr Leute hat es vor der Jugendherberge, wo wir unsere erste Nacht verbringen. Die Bar der Lago Lodge scheint ein beliebter Feierabend-Treffpunkt der jungen Bieler zu sein. In unserem Sechser-Zimmer sind wir allein, was uns nicht wirklich überrascht. 

Am nächsten Tag geht es zum «End der Welt» – dem Nationalen Sportzentrum in Magglingen, wo Profisportler ausgebildet und trainiert werden. Normalerweise. Seit Wochen sind fast alle Hallen leer. Vereinzelt sehen wir zwischen idyllischen Bauernhöfen junge Männer auf dem Fussballrasen oder eine junge Sportlerin auf dem Laufband. 

Picknick am Bielersee. Bild: Anouk Arbenz

Tag 2: Blick auf Berge, Stadt und See vom Thuner Schloss aus

Dann geht es weiter nach Thun. Ein bezauberndes, schmuckes Städtchen mit einem hübschen weissen Schloss, das die Stadt mit ihren zwei blau-grün Flussarmen überblickt. Farbige Häuserreihen – eine Fassade schöner als die andere. Wir  spazieren an der Aare entlang, schauen Surfern bei ihren Versuchen zu, essen in einem italienischen Restaurant zu Mittag und fahren schliesslich weiter Richtung Interlaken, dem Thunersee entlang. Nach einem Zwischenhalt am See geht es nach Lauterbrunnen, unserem nächsten Ziel. 

 

  • Bild: Anouk Arbenz
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  • Bild: Carole Arbenz
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Tag 2: Ein Lauterbrunnen ohne Touristen

Lauterbrunnen – der Touristen-Magnet und Instagram-Star. Doch heute ist die Ortschaft fast menschenleer. Sie gehört dank Corona wieder ihren Bewohnern. Wir nehmen uns ein Zimmer mit Kajütenbett oberhalb des einzigen Pubs in Lauterbrunnen, das sich direkt neben dem berühmten Staubbachfall – einer der über 70 Wasserfälle hier – befindet. Wir entscheiden uns spontan für ein Fährtchen mit der Wengern-alpbahn, bevor die Sonne hinter dem Schilthorn untergeht. Steil ist es in Wengen, aber als wir den freundlichen Bewohnern begegnen, beginne ich zu verstehen, weshalb man sich für ein Leben hier oben entscheidet. Die Wengener bilden eine grosse Familie, die diesen Ort zu einem echten Zuhause macht. Immer im Blick: Jungfrau und Silberhorn. Das Nachtessen – Thai Curry für mich und Älpler Maggronen für meine Schwester – nehmen wir im Horner Pub ein. Als ich Trinkgeld geben möchte, hindert mich der Kellner daran. «Wegen Corona», sagt er, «ihr seid noch so jung.»

  • Bild: Carole Arbenz
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  • Die Wengernalpbahn gewährt den Blick auf Lauterbrunnen hinab und auf Breit-, Tschingel- und Schilthorn sowie auf die Jungfrau. (Bild: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
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  • Der Staubbachfall befindet sich direkt neben dem einzigen Pub in Lauterbrunnen. (Bilder: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
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Tag 3: Spaziergänge auf dem Mürren und in Zermatt

Am nächsten Morgen nehmen wir unser bescheidenes Frühstück am Fusse des Staubbachfalls ein. Ein älterer Mann mit Wanderrucksack und barfuss hält bei uns an und verwickelt uns in ein Gespräch. «Arthritis», erklärt er, als wir ihn wegen der nackten Füsse fragen. Er mache das schon lange so, «das hilft mir». Wegen des Coronavirus mache er sich keine Sorgen – «der Tod gehört zum Leben dazu.» Er wirkt ganz mit sich im Reinen, als er die Kraft der Geranien in seine Hände «überträgt» und uns Cashew-Nüsse anbietet – «gut gegen Depressionen», sagt er. 

Nach dem Frühstück starten wir unsere Reise und nehmen die Luftseilbahn nach Mürren. Unser Chauffeur macht Spässe mit seinen paar wenigen Gästen. Die Schutzmassnahmen rund um Corona gelten auch hier, er muss eine Maske tragen und darf die Passagiere erst kurz vor der Abfahrt in die Gondel lassen. Eigentlich wollten wir bis aufs Schilthorn, wo sich ein drehendes Restaurant befindet, das öffnet jedoch erst am 8. Juni wieder. Dennoch geniessen wir den Blick auf Mönch, Jungfrau und Silberhorn und den Frieden hier oben. 

Wieder unten, machen wir uns auf den langen Weg nach Träsch bei Zermatt. Dafür müssen wir wieder zurück zum Thunersee und bei Kandersteg auf den Autoverlad nach Goppenstein. Am Abend ist ein Besuch von Zermatt Pflicht. Autofreier Bergort voller Chalets? Hörte sich für mich erst einmal sehr charmant an. Natürlich erwartete ich auch die teuren Schmuck- und Uhrenläden, die Souvenirs-Shop und überteuerten Kleider- und Brillenläden.

Etwas überrascht hat mich, wie verlassen Zermatt zurzeit ist. Wir finden kaum ein Restaurant, die meisten haben noch zu, neben Italienern blieb fast nichts anderes übrig. Besonders freut hat uns natürlich die Sicht auf das Matterhorn, das wir zum ersten Mal real vor uns sehen. Immer wieder flitzten kleine Busse und E-Biker an uns vorbei, als wir dem Fluss entlang gehen. Leider im Schatten – die Kehrseite, wenn ein Ort von hohen Bergen umgeben ist.

Bild: Anouk Arbenz
  • Das Hotel Elite in Täsch. (Bild: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
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  • Bild: Anouk Arbenz
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Tag 4: Auf der längsten Fussgängerbrücke der Welt

Am nächsten Tag werden wir um 7.45  Uhr geweckt. Das Hotel – charakterisiert durch Plastikpflanzen an jeder Wand und Ecke und Vorhängen und Decken, die den Mustern nach meiner Grossmutter hätten gehören können – wurde von einem älteren Herrn betrieben, der am Morgen an unsere Türe klopft, um sich zu verabschieden. Wir sind uns jetzt sicher, dass wir seine einzigen Gäste sind.

Heute wird ein langer Tag. Wir planen eine vierstündige Wanderung, welche den Gang über die längste Füssgängerbrücke der Welt beinhaltet, und eine ebensolange Reise ins Bündnerland im Anschluss. Randa befindet sich zwei Dörfer vor Zermatt und ist geschichtlich geprägt von Naturkatastrophen – 1636, 1720, 1737, 1819, 1991 und zuletzt 2017. Die schlimmste Katastrophe für Randa war der Bergsturz im Jahr 1991. Am frühen Morgen des 18. Aprils stürzten riesige Felsbrocken ins Tal. Drei Wochen später rutschte der Berg weiter ab und die Geröllmassen von total ca. 33 Mio. m³ begruben grosse Teile des Weilers mit 33 Landwirtschaftsgebäuden und Ferienhäusern sowie sieben Pferden und 35 Schafen, die Hauptstrasse nach Täsch und die Strecke der Brig-Zermatt-Bahn. Eine mehrere Zentimeter hohe Staubschicht bedeckte das Tal.

Die Charles Kuonen Hängebrücke ist eine 494 Meter lange Seilbrücke (Hängebrücke) auf dem Europaweg an der östlichen Talseite des Mattertals und gilt seit seiner Eröffnung im Juli 2017 als die längste Fussgänger-Hängebrücke der Welt. Die Brücke wurde als Ersatz für die im Juli 2010 erstellte Europabrücke gebaut, die zwei Monate nach ihrer Eröffnung von einem Steinschlag zerstört wurde.

Auf halbem Wege geniessen wir den sensationellen Ausblick von einem Felsvorsprung aus auf das Tal, flankiert von Augstbordhorn, Schwarzhorn, Barrhorn und der Weisshorngruppe auf der einen Seite und Täsch- und Dürrenhorn auf der rechten Seite. Aber auch den steilen Aufstieg von insgesamt knapp 1000 Höhenmetern geniessen wir – auf dem gut präparierten, erdigen Weg über Wurzeln und Steine begegnen wir keiner Menschenseele, der Wald wirkt friedlich, auch wenn er sichtbar vom letzten Steinschlag gezeichnet ist. Vor der Brücke hatte ich Bammel. Ich bin kein Fan der Höhe und noch weniger von beweglichen Untergründen. Doch als ich auf der Brücke einen Fuss vor den anderen setze, fühle ich mich sicher und wag es sogar, meine Hände vom Geländer zu nehmen und Fotos zu machen (siehe Galerie).

  • Bild: Anouk Arbenz
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  • Hier sieht man besonders gut, wie mächtig der Bergsturz von 1991 war. (Bild: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
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  • Die Charles Kuonen Hängebrücke ist eine 494 Meter lange Seilbrücke (Hängebrücke) auf dem Europaweg an der östlichen Talseite des Mattertals und gilt seit seiner Eröffnung im Juli 2017 als die längste Fussgänger-Hängebrücke der Welt. (Bild: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
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  • Zwei Monate nach Eröffnung der Europabrücke wurde diese von einem Steinschlag zerstört – die Spuren sind noch sichtbar. (Bilder: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
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  • Der Bisgletscher oberhalb von Randa. Bild: Anouk Arbenz
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  • Bild: Anouk Arbenz
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Tag 5: Die zwei schönsten Seen des Bündnerlands

Im Bündnerland angekommen, ruhen wir uns im Ferienhaus in Lescha, Cazis, oberhalb von Thusis aus. Mit unserem Vater und Hund Dino machen wir uns am nächsten Tag mit dem Auto auf den Weg nach Flims, wo wir mit Glück noch einen Parkplatz finden. Cauma- und Crestasee sind nur zu Fuss oder mit dem Fahrrad zu erreichen und sind beliebte Ausflugsziele nicht nur für die Bündner selbst sondern auch für viele Ausserkantonale. Ihre türkis-grüne Farbe fasziniert Menschen über soziale Medien auf der ganzen Welt und zieht gewöhnlich auch Touristen in die Schweiz. Bemerkenswert am Caumasee ist ausserdem, dass die westlichste Bucht trotz seiner Höhe über Meer sowie der Lage des Sees im Winter nicht zufriert; wohl weil der See von unterirdischen Quellen durchflossen wird, welche bei der Bucht ihren Ursprung haben. Auch der Abfluss erfolgt unterirdisch.

Am Abend essen wir im Quartierrestaurant – um uns mit Frischhaltefolie umwickelte Trennwände.

  • Der Caumasee bei Flims. (Bilder: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
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  • Die Rheinschlucht und der Caumasee. Bild: Anouk Arbenz
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  • Umgeben von mit Frischhaltefolie umwickelte Trennwände. Unsere Restaurant-Erfahrung in Lescha, Cazis, oberhalb von Thusis in Graubünden. (Bild: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
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 Tag 6: Zur Taminaschlucht – oder doch nicht?

Bevor wir den Weg in die Ostschweiz zu unserer Schwester und ihrem Mann unter die Füsse nehmen, wollen wir einen Halt in Bad Ragaz machen und die Taminaschlucht besuchen. Die Taminaschlucht ist der nördliche Teil des Taminatals im Kanton St. Gallen in der Schweiz. Zwischen Valens und dem Weiler Bonadivis gräbt sich das Wasser der Tamina bis zu 200 m in den Boden. Die enge Felsspalte ist rund 750 Meter lang und 70 Meter tief. Beim Alten Bad Pfäfers weitet sich die Schlucht soweit, dass für die letzten vier km neben der Tamina auch ein einspuriges Strässchen Platz findet, welches Bad Ragaz mit dem Alten Bad Pfäfers verbindet.

Ebendieses Strässchen wanderten wir hoch, um zur Schlucht zu gelangen. Oben angelangt, wurden wir wieder einmal an Corona erinnert – der Zugang zur Schlucht war versperrt. Wir waren nicht die einzigen, welche die Webseite offenbar nicht genau genug abgesucht hatten. Viele Familien, Pärchen und auch Einzelne Spaziergänger und Wanderer blieben enttäuscht vor dem Sperrband stehen. Ab dem 6. Juni soll dieses aber zum Glück verschwinden.

  • Die Taminaschlucht und die Taminabrücke. (Bilder: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
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  • Versperrt: Der Weg zur Taminaschlucht. (Bild: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
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Tag 7: Bei Geissen und Kühen in der Ostschweiz

Schwester und Schwager wohnen in Speicher im hügeligen Kanton Appenzell Ausserrhoden. Bereits auf der Autobahn ist der Bodensee in seiner Schönheit und Grösse zu sehen – atemberaubend. Aufgrund des Pfingswochenendes verzichten wir aber auf einen Besuch des Obersees und unternehmen einen Spaziergang zum Panoramarestaurant und Erlebnis Waldegg – mitten im Wandergebiet und mit Blick auf den Säntis. Jung und Alt, Velofahrer, Jogger und Spaziergänger kreuzen sich auf dem Weg zum urchigen und inzwischen weltberühmten Restaurant, das am Wochenende auch viele Motorradfahrer und Ausflügler anzieht. Wir empfehlen deshalb, Hotspots an Wochenenden und während den Schulferien zu meiden. Es sei denn man sehnt sich nach der Zeit der Isolation nach viel menschlichem Kontakt!

Um unserer Reise den symbolischen Abschluss zu geben, erscheint am Mittag ein Naturspektakel am Himmel: Ein Halo. Der Regenbogenring entsteht, wenn Licht an Eiskristallen brechen oder reflektieren.

Das Restaurant Waldegg und das Dorf Speicher. (Bilder: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
Anouk Arbenz, Redaktion March24/Höfe24
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